Wassercent als Chance: Wie Kommunen mit jedem Kubikmeter Zukunft finanzieren

Zwischen Trockenheit, Investitionsstau und neuen Finanzierungswegen

Hitzeperioden, sinkende Grundwasserstände und alternde Leitungsnetze stellen Städte und Gemeinden vor eine doppelte Herausforderung: Sie müssen die Versorgung mit Wasser sichern und gleichzeitig in Resilienz, Renaturierung und moderne Infrastruktur investieren. Doch die kommunalen Haushalte sind angespannt, Förderprogramme sind oft befristet, und die Klimafolgenkosten steigen. Vor diesem Hintergrund rückt ein Instrument in den Fokus, das viele bislang nur aus einzelnen Bundesländern kennen: der Wassercent. Die Idee dahinter ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: Für die Entnahme oder Nutzung von Wasser wird eine geringe Abgabe erhoben, deren Erlöse zweckgebunden in Maßnahmen rund um Schutz, Versorgung und effiziente Nutzung fließen.

Der Wassercent verspricht planbare Einnahmen, steuernde Anreize für sparsamen Umgang und Transparenz darüber, wie wertvoll unser Wasser wirklich ist. Gleichzeitig wirft er Fragen auf: Wie wird er sozial ausgewogen gestaltet? Trifft er Haushalte und Unternehmen fair? Und ist er rechtlich und organisatorisch umsetzbar, insbesondere wenn Kommunen selbst als Akteure auftreten? Dieser Artikel zeigt, wie der Wassercent als kommunales Instrument funktionieren kann, welche Chancen und Risiken bestehen und welche Gestaltungsoptionen sich in der Praxis bewähren. Er liefert Argumente und Beispiele, damit Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger souverän abwägen können, ob und wie dieses Werkzeug zum Motor für mehr Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit wird.

Was ist der Wassercent – und worin liegt sein Mehrwert?
Der Wassercent ist eine Abgabe auf die Entnahme oder Nutzung von Wasser, die an den wirtschaftlichen Wert und die ökologische Knappheit einer Ressource anknüpft. In einigen Bundesländern existieren bereits Wasserentnahmeentgelte, die etwa bei der Förderung von Grundwasser oder der Nutzung von Oberflächenwasser fällig werden. Kommunen können die Logik dieses Instruments auf ihre eigene Ebene übertragen, sofern die landesrechtlichen Rahmenbedingungen passen: Ein kommunaler Wassercent kann etwa als Zusatzkomponente im Wasserpreis oder als eigenständige Abgabe erhoben werden, die zweckgebunden ist.

Der Mehrwert lässt sich in drei Dimensionen beschreiben:
Finanzierung: Stetige Erlöse ermöglichen Investitionen in die Erneuerung von Leitungsnetzen, Leckagebekämpfung, Digitalisierung (z. B. Sensorik), Regenwassermanagement und Renaturierung.
Steuerung: Ein moderater Preisimpuls belohnt Effizienz und kann Verbrauchsspitzen glätten. Wer besonders viel nutzt, trägt relativ mehr bei.
Gerechtigkeit und Transparenz: Wird der Wassercent klar kommuniziert und zweckgebunden eingesetzt, steigt die Akzeptanz. Bürgerinnen und Bürger sehen, wohin ihr Geld fließt.

Wichtig ist die Abgrenzung: Während klassische Wasserentgelte oft der allgemeinen Haushaltsfinanzierung dienen, steigert ein zweckgebundener Wassercent die Legitimität, weil er unmittelbar in den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Ressource reinvestiert wird. Zusätzlich erzeugt er einen Lerneffekt: Preis- und Mengeninformationen sensibilisieren dafür, dass Wasser eine kritische Infrastruktur ist, deren Wert über den reinen Literpreis hinausgeht. Kommunen, die frühzeitig einen Wassercent einführen, signalisieren Weitsicht in Richtung Klimaanpassung, Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit.

Chancen für Kommunen: Resilienz, Investitionen und Akzeptanz
Kommunen stehen vor milliardenschweren Aufgaben: Sanierung maroder Leitungen, Anpassung an Starkregen und Dürre, Aufbau dezentraler Rückhaltesysteme, Förderung von Entsiegelung und die Digitalisierung der Wasserbetriebe. Ein Wassercent kann hier zum finanziellen Taktgeber werden, weil er Einnahmen mit strategischen Zielen synchronisiert.

Konkrete Nutzenpotenziale:
– Planbare Mittel für Prioritätenlisten: Ersetzen die „Stop-and-go“-Logik projektbezogener Zuschüsse.
Hebel für Fördermittel: Eigene Einnahmen dienen oft als Kofinanzierung und erhöhen die Chance, Landes- oder EU-Förderung zu bekommen.
Nachfrageorientierte Steuerung: Moderate Preissignale führen in Summe zu spürbarer Einsparung, ohne die Grundversorgung zu gefährden.
Klimafolgenanpassung: Mittel können in Hitzevorsorge (z. B. Trinkbrunnen), Schwammstadt-Elemente und Gewässerökologie fließen.

Fallbeispiel (fiktiv, aber realistisch): Die 80.000-Einwohner-Stadt „Hochquell“ führt einen Wassercent von 5 Cent pro Kubikmeter ein. Das ergibt jährlich rund 400.000 Euro. Der Stadtrat beschließt, die Mittel zu je einem Drittel für Leckageortung, die Renaturierung eines Bachabschnitts und eine Kampagne zu wassersparenden Haushaltsgeräten zu nutzen. Ergebnis nach drei Jahren: Die Wasserverluste sinken um 10 Prozent, der renaturierte Bach reduziert Starkregenspitzen, und der Haushalt senkt durch effiziente Geräte seinen Verbrauch durchschnittlich um 4 Prozent. Entscheidend für die Akzeptanz war die klare Zweckbindung und jährliche Berichterstattung mit Projektfotos, Kennzahlen und einer für Laien verständlichen Kosten-Nutzen-Analyse.

Auch für Betriebe kann der Wassercent Planungssicherheit schaffen: Wer in Recyclingkreisläufe, Kreislaufkühlung oder Regenwassernutzung investiert, profitiert von reduzierter abgabepflichtiger Frischwassermenge. So entsteht ein Anreizsystem, das ökologische Ziele mit wirtschaftlicher Vernunft verbindet.

Herausforderungen und Kritik: Sozialverträglichkeit, Rechtssicherheit, Aufwand
Wo Chancen liegen, zeigen sich auch Spannungsfelder. Die wichtigsten Einwände und wie Kommunen ihnen begegnen können:

– Soziale Balance: Steigende Kosten treffen einkommensschwache Haushalte relativ stärker. Abhilfe schaffen Freibeträge für die Grundmenge pro Person, soziale Ausgleichsfonds oder die Kombination mit Programmen zur Geräteförderung. Wichtig: Grundbedürfnisse bleiben bezahlbar, hohe Verbräuche tragen stärker.
– Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit: Wasserintensive Betriebe sorgen sich vor Mehrkosten. Differenzierte Tarife, zeitlich befristete Übergangsregelungen oder Investitionszuschüsse für Effizienzmaßnahmen können Härten abfedern. Wer nachweislich Wasser wiederverwendet, erhält Ermäßigungen.
– Rechtliche und organisatorische Klarheit: Abgabenrecht ist komplex, Zuständigkeiten variieren zwischen Ländern, Eigenbetrieben und Zweckverbänden. Eine saubere Satzungsgrundlage, Rechtsprüfung und die Abstimmung mit Landesvorgaben sind unerlässlich. Rechts- und Planungssicherheit ist zentrale Voraussetzung.
– Verwaltungsaufwand und Datengrundlage: Erhebung, Abrechnung und Monitoring erfordern Datenqualität und IT-Schnittstellen. Digitale Zähler, standardisierte Schnittstellen und die Nutzung bestehender Abrechnungsprozesse der Stadtwerke reduzieren den Zusatzaufwand.
– Akzeptanz und Kommunikation: Ohne transparente Verwendung droht der Vorwurf „versteckter Steuer“. Abhilfe: jährliche Wirkungsberichte, Bürgerbeteiligung bei der Auswahl der Projekte, Visualisierung der Effekte (z. B. Karte der sanierten Leitungsabschnitte).

Ein weiterer, häufig genannter Kritikpunkt betrifft die Doppelbelastung: Wasserpreise enthalten bereits Investitions- und Betriebskosten. Der Unterschied: Der Wassercent setzt bewusst einen ökologischen Lenkungsakzent und finanziert zusätzliche, vorausschauende Maßnahmen der Klimaanpassung und Gewässerentwicklung. Mit klarer Zweckbindung, sozialer Staffelung und flacher Einstiegshöhe kann der Zielkonflikt zwischen Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit entschärft werden.

Gestaltungsoptionen und Best Practices: So wird der Wassercent wirksam
Damit der Wassercent Wirkung erzeugt und zugleich fair bleibt, sollten Kommunen ihn als Baustein einer umfassenden Wasserstrategie verstehen. Folgende Design-Elemente haben sich als praktikabel erwiesen:

– Tarifsysteme:
– Grundbedarf zu reduziertem Satz oder frei (pro Person/Haushalt), darüber hinaus ansteigender Cent-Betrag pro Kubikmeter.
– Saisonale Komponenten (höher im Sommer), um Spitzen zu glätten.
– Ermäßigungen für nachweisliche Eigengewinnung und Wiederverwendung (z. B. Regenwassernutzung, Kreisläufe).
– Zweckbindung und Fondsbildung:
– Einnahmen fließen in einen kommunalen Wasserfonds für Infrastruktur, Renaturierung, Schwammstadt, Trinkbrunnen und Bildungsprogramme.
– Feste Quoten, z. B. 40 Prozent Netz, 40 Prozent Natur, 20 Prozent Innovation und Bildung.
– Transparenz und Beteiligung:
– Jährlicher Wirkungsbericht mit Kennzahlen (Leckagerate, eingesparte Kubikmeter, renaturierte Flächen).
– Bürgerbudget-Komponente: Einwohner stimmen über ein Teilbudget für lokale Projekte ab.
– Sozialer Ausgleich:
– Rabattmodelle für Transferhaushalte, Härtefallfonds, gezielte Gerätezuschüsse (Sparduschköpfe, effiziente Armaturen).
– Integration in die Stadtentwicklung:
– Kopplung an Entsiegelungsprogramme, Bauleitplanung (Gründächer, Zisternenpflicht) und Hitzeschutzkonzepte.
– Digitale Infrastruktur:
– Smart Metering zur zeitnahen Verbrauchserfassung, Leckageerkennung und fairen Abrechnung.
– Evaluation und Lernschleifen:
– Pilotphase von 24–36 Monaten, klare Erfolgskriterien, unabhängiges Monitoring, anschließende Anpassung.

Praxisbeispiel (fiktiv): Der Landkreis „Auenland“ führt einen regionalen Wasserfonds ein, gespeist aus einem abgestuften Wassercent. Parallel startet er eine Offensive für Entsiegelung: Für jeden durch den Fonds geförderten Quadratmeter entsiegelte Fläche wird ein Bonus auf die Abgabe gewährt. Unternehmen nutzen dies, um Betriebshöfe zu begrünen und Regenwasser zu versickern; die Kommune profitiert durch weniger Überlastung der Kanalisation bei Starkregen. Ergebnis: Synergien zwischen Finanzierungsinstrument und Stadtklima entstehen, die über den reinen Einnahmeeffekt hinausgehen.

Wichtig ist, den Wassercent nicht isoliert zu betrachten. In Kombination mit Informationskampagnen, rechtlichen Vorgaben (z. B. Zisternenpflicht bei Neubau), sowie mit Förderprogrammen entsteht ein Policy-Mix, der Bewusstsein und Verhalten nachhaltig verändert. So wird aus einem Cent-Betrag pro Kubikmeter ein Hebel, der Struktur und Kultur des Umgangs mit Wasser prägt.

Fazit: Vom Cent zum System – jetzt strategisch handeln
Der Wassercent kann für Kommunen zur verlässlichen Einnahmequelle und zum Lenkungsinstrument werden, das Versorgungssicherheit, Klimaresilienz und Nachhaltigkeit vereint. Entscheidend ist die Umsetzung: sozial ausgewogen, rechtssicher, transparent und eingebettet in eine langfristige Wasserstrategie. Wer jetzt handelt, schafft finanzielle Spielräume und investiert in die Zukunftsfähigkeit der Daseinsvorsorge.

Handlungsempfehlungen:
– Starten Sie mit einer Pilotphase und klarer Zweckbindung.
– Setzen Sie auf soziale Staffelung und flankierende Förderprogramme.
– Vernetzen Sie den Wassercent mit Schwammstadt, Renaturierung und Digitalisierung.
– Berichten Sie jährlich über Wirkung, Kosten und Einsparungen – sichtbar und verständlich.
So wird aus einer kleinen Abgabe ein großer Hebel für kommunale Resilienz und eine Kultur der Nachhaltigkeit.

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